Tiraspol - Hauptstadt eines inoffiziellen Landes

Der Weg über eine Grenze, deren Existenz hoch umstritten ist

 

Tiraspol verfügt über keinen eigenen Flughafen, als Tourist kann man also nur über die Stadt Chişinău (Moldawien) oder Odessa (Ukraine) einreisen.

Da die moldauischen Behörden keine richtigen Grenzkontrollen durchführen (es gibt maximal „Checkpoints“), sollte man allerdings bei einer Einreise über die Ukraine vorsichtig sein: Eine Weiterreise in Richtung Chişinău wäre nämlich illegal, da man nie „offiziell“ (mit Stempel) nach Moldawien eingereist ist.

An der Grenze zu Transnistrien erhält der Reisende obligatorisch eine Immigration Card, auf welcher die Reisedauer und der Aufenthaltsgrund  zu definieren sind.

Besuche über 24 Stunden müssen polizeilich im Zentrum Tiraspols registriert werden. Einen eigenen Stempel bekommt man nicht. Achtung: Verliert man die Immigration Card, drohen hohe Bußgelder. Konsularische Unterstützung durch EU-
Botschaften kann auf dem Gebiet von Transnistrien nicht gewährt werden!

Am unkompliziertesten gestaltet sich die Einreise per Bus (vom Busbahnhof Chişinău). In stündlichen Abständen fahren hier für umgerechnet unter 5 Euro „Marschrutkas“ (kleine Busse) nach Tiraspol.

Schon die Fahrt selbst ist ein kleines Abenteuer, schließlich sind die Straßen Moldawiens nicht gerade im besten Zustand, was in weiterer Folge auch für die Busse gilt. Umgekehrt sind die Passagiere und Busfahrer meist freundlich und hilfsbereit, ein paar Brocken Russisch sind allerdings unbedingt zu empfehlen. Das gilt auch für das Personal am Bahnhof Tiraspol, welcher als beeindruckendes Bauwerk die Tour in die „letzte Sowjetrepublik“ eröffnet. 


Eine  Begegnung zwischen Vergangenheit und Gegenwart


Fast alle Straßen in Tiraspol sind nach kommunistischen Theoretikern, Politikern oder geschichtlichen Ereignissen mit UDSSR Bezug benannt. 
Auch das Stadtzentrum ist voll von Denkmälern und Gebäuden aus der sowjetischen Zeit. Neben dem alten T41 Panzer steht eine Gedenkstätte für die Gefallenen des Unabhängigkeitskriegs, welcher nach dem Fall der Sowjetunion die Grenze des nicht anerkannten Staates gefestigt hatte.


Falls sich jemals jemand die Frage gestellt hätte, wie die Sowjetunion heute aussehen könnte, ein Besuch in Tiraspol liefert die Antwort. Das liegt nicht nur am Motiv der „transnistrischen“ Kopeken
, welche noch immer Hammer und Sichel enthalten.

Egal ob das „Haus des Sowjets“ (Stadtratsgebäude) oder das Parlament, stets wacht Lenin vor den Gebäuden der Volksvertreter. - Achtung: Das Fotografieren von Infrastruktureinrichtungen ist nicht gerne gesehen, speziell in der Nähe von Militärbasen sollten Touristen die Kamera unbedingt in der Tasche lassen.

Während Transnistrien für Individualtouristen und Sowjet-Nostalgiker ein interessantes Reiseziel darstellt, ist die Zukunft der Region ungewiss. Viele wünschen sich einen Status als eigenen russischen Föderationskreis, für Russland ein Balanceakt. Denn sowohl die belasteten Beziehungen zu Moldawien, als auch zur EU stehen auf dem Spiel.



Stimmungslage im Winter 2014/2015



Am Bahnhof Tiraspol werden über den an der Wand montierten Flatscreen russische Nachrichten ausgestrahlt. Thema ist natürlich die Ukrainekrise, die Bilder von den Gefechten in Donbass sind auch in Transnistrien angekommen.
Die russischen Staatskanäle dominieren das örtliche Fernsehangebot.
An diesem Tag gibt es allerdings keine besonderen Neuigkeiten, weshalb das Fernsehprogramm von den Reisenden in der Wartehalle eher als „Hintergrundrauschen“ wahrgenommen wird.

Im Stadtzentrum werden im Souvenirladen die Flaggen der „Volksrepublik Donetsk“, ebenso wie Sowjetfahnen und Georgsbändchen, angeboten. Bildnisse der sozialistischen Führer hängen unmittelbar neben dem Bild des russischen Präsidenten. Die einzige westliche Flagge,  der englische „Union Jack“ ziert das Cover einer alten Sprachkurskassette.

Der von manchen erwartete, weitere Hot-Spot ist Transnistrien bisher nicht geworden.  Die Mehrheit der Leute orientiert sich zwar nach Russland, aber die Menschen sehnen sich auch nach Stabilität in ihrer nicht anerkannten Republik. Die mit dem Begriff „High Tech“ angepriesenen Schaufensterinhalte zeigen neben Unterhaltungselektronik auch Waschmaschinen und Bügeleisen. Für viele sind wohl beide Produktkategorien ein erstrebenswerter Luxus.

Der Hauptplatz um das Ehrendenkmal, einen T34 Panzer, welcher an die Schlacht um die Unabhängigkeit Transnistriens erinnern soll, ist beinahe menschenleer. Nur ein Mann spaziert mit seiner kleinen Tochter an den Bildern der gefallen Soldaten vorbei. Als wir nach einem langen Spaziergang die Restaurantkette „Andys Pizza
“ besuchen, erstaunt uns ein junger Kellner. In fließendem Englisch nimmt er dir Bestellung auf und fragt, aus welchem Land wir kommen. „Austria? Capital is Vienna!“ entgegnet er stolz, beinahe im Stile eines geprüften Tourguides.

Andys Pizza liegt zwar im Stadtzentrum, doch an diesem Abend sind wir die einzigen Touristen
. Außer uns sichert nur ein Liebespaar, mit einer Flasche Krimsekt ausgestattet, den Tagesumsatz.

Eckdaten:


 

Verbindung: Bus/Bahn von Chisinau, Rumänien bzw. Odessa, Ukraine (1-2 Stunden)

Einwohner: ca. 0,55 Millionen

Fläche: 3,567 Quadratkilometer

Transnistrischer Rubel: 1 Euro = ca. 14 Rubel

Sprachen: Russisch, Rumänisch                                        Borsh: DEZJAN

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Kommentare: 2
  • #1

    Ralf (Dienstag, 05 Mai 2015 09:59)

    Hehe, Andys Pizza ist ja ein "must" in der Gegend :)
    Mit Fotos ist man übrigens meistens eh nicht so streng...

  • #2

    Frieder Monzer (Montag, 05 Dezember 2016 20:35)

    Die erwähnten 24 Stunden gelten nur bei Angabe einer Kontaktadresse im Pseudostaat, ansonsten sind es 10, bevor man zur Dienststelle OVIR (Отдел виз и регистрации) für die Verlängerung muss. Ein Tagesausflug lohnt sich durchaus!